Willkommen...

... in der phantastischen Welt von Jonas Goom.
Gehen Sie mit ihm auf Abenteuerreise und lassen Sie sich verzaubern, denn die Geschichte fängt gerade erst an!!!

Mittwoch, 28. Oktober 2009

Jonathan Sherwood (1)

Leider konnte Jonas nicht so schnell die Hände in seine Taschen stecken und stieß nun ständig mit den Ellenbogen gegen die Schrankwände, während er hin und her geworfen wurde und sich dabei um die eigene Achse drehte. Jonas wurde ganz schwindelig und er schloss seine Augen. Nun konnte er die Veränderungen, die im Schrank vor sich gingen, nicht mehr beobachten. Mal hingen Kleider im Schrank und Hutschachteln stapelten sich auf dem Boden und ein paar Sekunden später diente der Schrank als Abstellkammer für Besen und Schrubber.
Plötzlich schien Jonas langsamer zu werden und auszutrudeln. Einen Augenblick später stand er still.
Jonas öffnete die Augen und konnte keine großen Veränderungen feststellen. Der Schrank war immer noch leer, doch eine andere Tapete ließ den Schrank dunkler erscheinen. Jonas drehte sich zur Tür, um nach dem Datum zu sehen. Es stand nach wie vor der 17. März 1896 geschrieben, und darunter war auch immer noch ganz schwach der Name Jonathan Sherwood zu lesen. Was hatte das zu bedeuten, dass der Name kaum mehr lesbar war?
Jonas beschloss, sich außerhalb des Schranks einmal umzuschauen. Er drehte vorsichtig den Schlüssel im Schloss herum und drückte mit zitternder Hand die Türklinke nach unten. Zuerst öffnete er die Tür nur einen Spalt und lauschte. Nichts war zu hören und im Zimmer war es dunkel. Vorsichtig stieß er die Tür weiter auf. Durch das Fenster zur Rechten drang helles Mondlicht ins Zimmer und Jonas konnte erkennen, dass er alleine war. In der Nische wo sein Bett steht, stand eine schmale Pritsche mir einem kleinen Nachttisch daneben, auf dem eine Kerze Platz hatte. Gegenüber des Schrankes stand ein einfacher Holztisch und ein Hocker. Auf der Fensterbank, unter der er die Kiste gefunden hatte, lagen zwei Kissen.
Jonas ging zur Zimmertür und legte sein Ohr an. Im Haus war es still, alle Bewohner schienen zu schlafen.
Da Jonas auf dem Nachttisch eine Kerze gesehen hatte, fiel ihm ein, dass er das nächste Mal unbedingt seine Taschenlampe mitnehmen musste. Er ging in den Schrank, um die Streichhölzer zu holen und zündete die Kerze an.
Im Kerzenlicht wirkte das Zimmer recht trostlos und war nicht zu vergleichen mit Jonas buntem Zimmer mit den vielen Postern an den Wänden und den farbenfrohen Kuscheltieren auf dem Bett. Auf der Pritsche, die sich beim Testen als ziemlich hart erwies, saß nur ein kleiner brauner Bär, der schon so zerknuddelt aussah, dass er schon einige Male geflickt werden musste.
Über dem Tisch hingen zwei Fotos. Auf dem einen stand ein Ehepaar ohne ein Lächeln im Gesicht ganz steif hinter ihren beiden Kindern, die ebenfalls sehr ernst schauten. Auf dem zweiten Bild war eine ältere Dame zu sehen, die sehr lieb in die Kamera schaute. Beide Fotos waren schwarz-weiß und Jonas fand sie recht unscharf. Wenn er ab und zu mal die Kamera seines Vaters benutzen durfte, kamen bei ihm auch immer verwackelte und unscharfe Bilder dabei heraus. Jonas kombinierte, dass es sich hier jedoch um die minder entwickelte Technik handelte, denn schließlich kann man die damaligen Kameras mit den heutigen nicht vergleichen.
Einer der beiden Jungs wird wohl Jonathan sein und der andere dessen Bruder. Die finster dreinblickenden Erwachsenen mussten demzufolge Jonathans Eltern sein.
Wenn er sich an die Bilder mit seiner Familie erinnerte, musste Jonas nun feststellen, dass viel mehr Lebendigkeit, Liebe und Freude aus ihnen sprach. Und wenn er sich das Bild der älteren Dame im Vergleich ansah, konnte er auch hier sehr viel Lebensfreude und Zuneigung erkennen.

Plötzlich rumpelte es laut im Schrank hinter ihm. Jonas blies vor Schreck schnell die Kerze aus und ein Schauer lief ihm über den Rücken, als die Schranktür mit Schwung aufgestoßen wurde. Da stand Jonathan mit seiner Kerze in der Hand im Türrahmen und schaute stolz und ein bisschen verwundert in Jonas Gesicht.

Dienstag, 20. Oktober 2009

Der Wandschrank

Wieder zu Hause zog sich Jonas schnell seine Jacke aus und war schon auf halber Treppe, als er seine Mutter sagen hörte: „Du denkst an Deinen Schrank?“.
Den hätte er ja fast vergessen. In seinem Zimmer angelangt, machte er seinen Schrank auf und schmiss alle Klamotten auf sein Bett, um sie dort zusammenzulegen, die Spielsachen landeten in seiner Spielkiste, die neben seinem Schrank stand. Das Wegräumen der Sachen dauerte länger, als er dachte, doch als er fertig war, freute er sich nun in aller Ruhe der Kiste widmen zu können.

Jonas zog die Kiste unter seinem Bett hervor, leerte den Inhalt wieder auf seinem Bett aus und sah die Kiste erstmals von unten. Auf den beiden kurzen Seiten wurde der Boden mit zwei Holzriegeln festgehalten. Jonas schob die Riegel beiseite und nahm die Bodenplatte weg. Im Versteck lag eine zugebundene Papierrolle, ein Packung Streichhölzer, ein Kerzenstumpf, ein Stück Kreide, ein Silber-Ring und ein Schlüssel.
Jonas nahm die Sachen aus der Kiste. Seine Mutter würde ihm gleich „Gute Nacht“ sagen kommen und er wollte die Kiste schnell wieder wegräumen.
Nachdem er die Kiste mit den ganzen Papieren wieder unter der Fensterbank verstaut war, machte es sich Jonas wieder auf seinem Bett gemütlich und zog das dunkelblaue Band das um die Rolle gebunden war auf. Er entrollte das alte gelbliche Papier.


Anleitung zur Zeitreise
entdeckt und erprobt von Jonathan Sherwood

Der Wandschrank dieses Zimmers ist der Schlüssel zu aufregenden Reisen in die Vergangenheit.
Nimm die hängenden Sachen aus dem Wandschrank, damit Du genügend Platz hast, um darin stehen zu können. Zünde eine Kerze an und stelle diese in die linke hintere Ecke des Schranks. Schließe den Schrank von innen ab, damit Dich niemand stören und Dir niemand nachreisen kann. Nur der Träger des Ringes kann die Maschine aktivieren, doch jeder andere kann nach Aktivierung mitreisen.
Stecke Dir den Ring an den rechten Ringfinger.
Schreibe mit der Kreide das Datum Deines Reiseziels auf die Innenseite der Tür. Bei dem Wunsch eine bestimmte Person zu treffen, schreibe dessen Namen darunter.
Stelle Dich nun mit dem Rücken zur Tür. Drehe den Ring an Deinem Finger dreimal nach rechts, viermal nach links und noch einmal nach rechts. Schließe nun die Augen und stecke Deine Hände schnell in die Hosentaschen, denn schon geht sie los - die Reise in die Vergangenheit.

Es klopfte an der Tür. Jonas erschrak und konnte nur noch schnell sein Kissen über alle ausgebreiteten Sachen legen. Seine Mutter steckte den Kopf zur Tür herein.
„Ich wollte Dir nur eben gute Nacht sagen und in Deinen Schrank schauen, den Du hoffentlich aufgeräumt hast.“
Somit ging sie erst zu seinem Wandschrank – dem Schrank indem man angeblich Zeitreisen unternehmen kann, Jonas konnte dies nicht glauben – und öffnete kurz dessen Türen, um einen Blick hineinzuwerfen. Dann ging sie zu Jonas, um ihm einen dicken Schmatz aufzudrücken. Diese Küsse mochte Jonas schon gar nicht mehr, doch er wusste nicht wie er dies seiner Mutter beibringen sollte.
„Schlaf schön mein Junge. Und mach bald das Licht aus. Gute Nacht.“
„Gute Nacht Ma.“

Als seine Mutter die Tür wieder geschlossen hatte, schaute Jonas sich die anderen Dinge aus dem doppelten Boden Kiste genauer an.
Der Ring war aus Silber und eher unscheinbar. Jonas drehte und wendete ihn, doch er konnte keinerlei Schnörkel finden, geschweige denn irgendetwas, was den Ring besonders macht. Beim Anprobieren musste er feststellen, dass er viel zu groß für seine Finger war. Am Ringfinger würde er ihn bestimmt verlieren, doch am Daumen konnte er ihn tragen ohne ihn verkrampft festzuhalten. Und mit diesem Ring am Finger konnte man Menschen treffen, die schon lange nicht mehr lebten? Unvorstellbar für Jonas.
Die Kreide sah aus wie die in der Schule – Jonas hasste es, an die Tafel zu müssen, denn das Quietschen beim Schreiben ließ einen kalten Schauer über seinen Rücken laufen – und auch die Kerze und die Streichhölzer könnten aus dem Supermarkt im Dorf stammen.
Jonas war sich unsicher, ob er es mit einem Scherz zu tun hatte. Er sollte es wohl am besten gleich mal ausprobieren. Doch wo sollte er hinreisen, wen sollte er treffen? Eine nie gekannte Aufregung machte sich in Jonas breit.
Er nahm noch einmal die Papierrolle zur Hand und las sie sich ein wiederholt genau durch.

Wie gut dass Jonas seinen Schrank heute aufgeräumt hatte, denn so ließ er sich viel schneller ausräumen.
Um nicht im Schlafanzug zu reisen, schließlich wusste Jonas ja nicht wer oder was ihn erwartete, zog er sich wieder die Sachen vom Tag an. Er nahm alle in der Kiste gefundenen Utensilien mit in den Schrank und schloss die Tür hinter sich. Zunächst musste er die Kerze anzünden, denn es war stockdunkel im Schrank. Dabei schien es ihm sinnvoll den Teppich aus dem Schrank zu nehmen, damit ja nicht passieren konnte. Er entdeckte in der besagten Ecke, in die er die Kerze stellen sollte, Wachsreste. Wie alt mögen die sein, schoss es Jonas durch den Kopf. Ist das ein Indiz für die Wahrheit? Jonas Aufregung stieg ins unermessliche und sein Magen drehte sich einmal um die eigene Achse, wie ihm schien. Mit dem goldenen Schlüssel verriegelte er schnell die Tür, denn er wollte den Anweisungen genau Folge leisten und alleine reisen. Dass überhaupt etwas passierte, konnte Jonas immer noch nicht so recht glauben.

Nun inspizierte er noch die Tür, doch er konnte keine Spuren von Kreide erkennen. Er nahm das Kreidestück zur Hand, überlegte kurz und schrieb dann

17. März 1896
Jonathan Sherwood

auf die Innenseite der Tür. Ihm erschein es am sinnvollsten, zuerst denjenigen zu besuchen, dem er dieses Schriftstück, und somit die Anleitung zu verdanken hatte, denn falls das alles wirklich so funktionieren sollte, musste er sich ja auch mit jemanden darüber unterhalten können.
Er legte die Kreide beiseite, stellte sich, wie ihm geheißen, mit dem Rücken zur Tür, nahm den Ring und steckte ihn sich an den rechten Ringfinger. Um auch nichts falsch zu machen, schaute er nochmals in die Papierrolle.
Dreimal nach rechts, viermal nach links und einmal noch nach rechts. Jonas drehte den Ring.

Freitag, 9. Oktober 2009

Die Entdeckung (2)

Jonas schloss seine Zimmertür, denn bevor er selbst nicht genau wusste, was die Kiste beinhaltete, sollte es auch niemand anderes wissen, erst recht nicht sein überaus neugieriger Bruder.
Er zog die Kiste zu seinem Bett und beäugte sie von allen Seiten. Sie war aus rohem Holz, welches in den Jahren sehr nachgedunkelt war, und hatte schon einige Schnitzer und Ecken abbekommen. An der Oberseite konnte er eine Klappe aufschieben.
Seine Hoffnung er hätte einen geheimen Schatz entdeckt, wurden jedoch enttäuscht, denn diese Kiste enthielt nur alte Briefe und Notizen.

Er nahm die oberste Notiz und las:

04. März 1903
Habe soeben Uroma Beth besucht. Ihr selbstgemachtes Gebäck zum Tee war einzigartig. Sie hat sich sehr gefreut mich zu sehen und hatte mir viel zu erzählen.
Ich wollte am liebsten nicht mehr gehen. Vielleicht gehe ich morgen gleich nochmals zu ihr.

Mehr stand da nicht geschrieben. Das hörte sich nicht gerade spannend an. Seine Großmutter lebte nicht mehr, doch damals war er nur ungern mitgegangen, wenn die ganze Familie sie im Pflegeheim besuchen ging. Oma Jocelyn erkannte ihn meist nicht und nannte ihn beim Namen seines Vaters – alleine das war schon etwas beängstigend. Zudem roch es in diesem Haus immer so komisch. Jonas hätte sich am liebsten die ganze Zeit die Nase zugehalten, doch seine Ma meinte das sei unhöflich, denn die alten Menschen könnten nichts dafür. Doch noch schlimmer als seine eigene hilflose Oma zu sehen, war es die ganzen anderen kranken Alten zu sehen und vor allem zu hören, denn einer schien vor Schmerz und Leid immer zu schreien. Seine Ma sagte zu ihm, es sei ein Glück, dass wir alle nicht wissen, wie wir alt werden.

Es klopfte an der Tür. „Jonas, dein Badewasser ist fertig eingelassen.“
„Ich komme sofort, Ma.“, Jonas packte den Zettel wieder oben auf, verschloss die Kiste und schob sie unters Bett. Er ging zur Fensterbank und legte die Planken wieder lose an ihren Platz und die Kissen oben drauf. Später würde er die Kiste wieder an diesem Platz verstecken.

Als er das Bad betrat, stand Kyle schon wieder vor dem Spiegel.
Er bemerkte Jonas gar nicht, so sehr war er mit sich selbst beschäftigt.
„Äham. Bist Du bald mal fertig. Ich würde jetzt gerne baden und dir dabei nicht beim Ewig-in-den-Spiegel-glotzen zuschauen. Das hilft eh nichts mehr, sieh es doch endlich ein.“
„Ha ha ha. Meinst du dein in wochenlanger Arbeit angesammelter Dreck geht in einem Vollbad runter? Ich gehe ja schon. Aber mach nicht so lange. Ich bin heute Nachmittag noch verabredet und würde vorher gerne noch ins Bad.“

Kyle schloss die Tür hinter sich und Jonas ging zum Spiegel.
Sein blondes Haar stand strubbelig ab und er hatte das Gefühl von Tag zu Tag mehr Sommersprossen auf seiner Stubsnase zählen zu können. Nun grinste er sein Spiegelbild mit dem verschmitzten Lächeln an, was er sogar auf Lager hat, wenn es für ihn nichts zu lachen gibt. Seine blauen Augen funkelten frech, denn sein neu gewonnenes Geheimnis ließ ihn innerlich vor Freude Luftsprünge machen. Womöglich enthielt die Kiste noch eine alte Schatzkarte und er würde bald auf große Schatzsuche gehen.

Jonas liebte das Baden am Sonntag. Er nahm dann immer seine Plastikschiffe mit in die Wanne und spielte stundenlang Schiffe versenken und er war der größte Pirat im Badewannenmeer. Immer wieder ließ er ein wenig Wasser ab, um sich Heißes dazu zulassen, denn mit der Zeit verlor das Wasser immer an Wärme. Meist war er bis zum Mittagessen damit beschäftigt, doch heute wurde er in Rekordzeit fertig, denn seine Neugier auf den weiteren Inhalt der Kiste war enorm groß.

„Schon fertig?“
Im Flur traf Jonas seine Mutter, die gerade mit frisch gewaschenen Sachen auf dem Weg in sein Zimmer war.
„Oliver wollte unbedingt wieder ins Bad. Und außerdem hatte ich heute keine Lust mit meinen Booten zu spielen. Das wird langsam langweilig, schließlich werde ich ja auch älter.“
Im Zimmer angelangt vergewisserte sich Jonas, dass auch bloß nichts von der Kiste zu sehen war. Seine Ma ging an seinen Schrank, um die Wäsche wegzuräumen, doch beim Anblick des Chaos hielt die inne.
„ Ich glaube Du müsstest hier mal wieder aufräumen. Am besten gleich. Du hast doch Zeit, oder!“
„Ist schon gut, ich mache das gleich. Du kannst ja die Sachen erst einmal auf den Schreibtisch legen, ich räume sie dann später weg.“ Jonas wollte damit möglichst schnell seine Mutter vom Hals haben, um sich in Ruhe wieder den wichtigeren Dingen widmen zu können - die Suche nach der Schatzkarte.
„Ich schaue dann noch einmal heute Abend in den Schrank, wenn ich Dir Gute Nacht sagen komme.“ Damit verließ sie das Zimmer.

Jonas schnappte sich einen der frisch gewaschenen Pullover und zog ihn an. Es war sein Lieblings-Pulli, der vom vielen Tragen und Waschen schon ganz ausgeblichen war. und nun statt schwarz eher grau war. Das jedoch Wichtigste war, dass er immer noch so flauschig und warm war, wie am ersten Tag, als er ihn von seinem Papa geschenkt bekommen hat. Er ging zu seinem Schrank um sich eine Hose zu holen, dabei stellte er fest, dass es wirklich Zeit wurde, dass er mal aufräumte, doch bis heute Abend hatte er ja noch genug Zeit. Erst einmal wollte er nun die Geheimnisse der Kiste ergründen. Er zog sie wieder unter dem Bett hervor und hob sie unter Aufwendung all seiner Kräfte auf sein Bett. Sein Kissen knautschte er sich in den Rücken, um es sich so richtig gemütlich zu machen. Nun öffnete er die Kiste erneut, legte die oberste Nachricht beiseite und begann die restlichen Papiere zu durchforsten. Dabei sortierte er schon einmal grob nach Briefen und Notizen, Letztere waren meist auf kleine Zettel oder herausgerissene Heftseiten geschrieben und schienen vom Verfasser der ersten kurzen Nachricht zu stammen. Anhand der verschiedenen Adressen konnte er die Briefe wiederum in verschiedene Stapel ordnen. Immer mehr Zettel und Papiere stapelten sich auf seinem Bett und Jonas musste aufpassen die Haufen nicht durch eine unachtsame Bewegung wieder durcheinander zu bringen. Bald hatte er die ganze Kiste ausgeräumt und fand als letztes ein blaues Büchlein, welches ziemlich abgegriffen aussah und nach altem vergilbten Papier roch. Beim Hochheben fielen weitere Notizen in seinen Schoß.
Jonas schlug den Buchdeckel auf und las auf der ersten Seite:


Dies ist das Tagebuch von Jonathan Sherwood.

Die Handschrift hatte denselben Schwung, wie die auf den zahlreichen Notizen. Somit stammte also der Großteil des Kisteninhalts von Jonathan Sherwood. Neugierig blätterte er
eine Seite weiter.



17. März 1896

Mein Vater brachte mir heute aus der Stadt dieses Buch mit. Ist es nicht wunderschön? Das Blau des Einbandes leuchtet so stark und die leeren Seiten schreien geradezu, danach mit Wünschen und Geheimnissen beschrieben zu werden, so daß ich beschlossen habe mein Tagebuch daraus zu machen. Ich werde mich bemühen täglich festzuhalten, was mich bewegt und beschäftigt. Und nun will ich auch gleich damit beginnen.
Ich habe endlich herausgefunden wie mein Engel, den ich täglich auf meinem Nachhauseweg von der Schule beobachten kann, heißt. Ist Shirley nicht ein zauberhafter Name für eine solche Schönheit!
Oje, ich werde jetzt Schluss machen, denn mein Vater ruft nach mir. Ich darf ihn nicht warten lassen.
Bis Morgen!


„Jonas, Mittagessen!“, rief sein Vater die Treppe herauf.
„Ja, ich komme gleich!“
Wenn er nicht wollte, dass jemand etwas von seinem Fund erfuhr, musste er vorher schnell die Papiere wegräumen, denn er wollte kein Risiko eingehen. Jonas ließ das Buch in die Kiste fallen und griff schon nach den Briefen, als er sich aufgrund des hohlen Geräusches, was das gefallene Buch verursachte wieder der Kiste zuwandte. Er legte das Buch zurück auf sein Bett und blickte in die Kiste. Sie war nicht so tief, wie sie es von außen vermuten ließ. Jonas pochte gegen den Boden und vernahm ein hohles Klopfen. Es schien sich um einen Zwischenraum zu handeln, doch von innen war keine Öffnungsmöglichkeit zu sehen.

„Jonas, wo bleibst Du denn? Das Essen wird schon kalt!“
„Ich komme. Ich komme.“

Er schob nun doch alle Briefe und Notizen in die Kiste und verstaute sie wieder unter seinem Bett.

Nach dem Mittagessen wollte Jonas wieder so schnell wie möglich in sein Zimmer, doch er hatte vergessen, dass er mit seinen Eltern ein befreundetes Ehepaar und dessen Tochter besuchen sollte. Alle Versuche darum herum zu kommen, halfen nichts und so verbrachte er gezwungenermaßen den ganzen Nachmittag mit Diana. Sie hatten sich nicht viel zu erzählen und Jonas mochte sie sowieso nicht besonders. Sie war nicht hübsch noch hatten sie Gemeinsamkeiten. Sie wollte immer nur mit Puppen oder ihrem Game Boy spielen. Letzteres machte ihn eifersüchtig, denn sie ließ ihn nie damit spielen und er selbst hatte keinen. Er wünschte sich schon zu seinem letzten Geburtstag einen, doch er bekam wieder nur Bücher und Anziehsachen. Obwohl Jonas immerzu drängelte zu gehen, blieben sie leider bis zum Abendessen.

Donnerstag, 1. Oktober 2009

Die Entdeckung (1)

„Frühstück!“ rief Mama Sandra Goom.
Wie jeden Sonntagmorgen pünktlich um neun Uhr. Man konnte die Uhr danach stellen.
Und wie jeden Sonntagmorgen lag Jonas Goom noch in seinem Bett und zog sich die Decke über den Kopf. Am liebsten hätte er so getan, als ob er es nicht gehört hatte, doch da ertönte es schon wieder.
„Frühstück! Wo bleibt ihr denn?“
Auf der Treppe konnte Jonas seinen Vater Greg nach unten laufen hören. Die dritte und die fünfte Stufe knarrten, wenn man nicht die richtigen Stellen erwischte.
Bei seinen nächtlichen Ausflügen zum Kühlschrank oder Fernseher hatte Jonas herausgefunden, wie man lautlos die Treppe herunterkommt.
Aus dem Badezimmer konnte er das Plätschern von Wasser vernehmen. Sein Bruder Oliver war wieder dabei sich für die Mädchen zu Recht zu machen. Er brauchte jeden Morgen unendlich lange im Bad. Dies war auch der Grund, warum Jonas fast täglich zu spät zur Schule kam. Natürlich kam hinzu, dass er auf dem Schulweg trödelte. In der Schule kam die Ausrede, dass er ja schließlich nicht ungeduscht zum Unterricht erscheinen kann, jedoch besser an.
Nun entschloss sich Jonas sich ungewaschen an den Frühstückstisch zu setzten, denn sein Magen rebellierte vor Hunger, so dass er nicht mehr warten konnte, bis Oliver fertig war.
Er klappte die Bettdecke beiseite, schwang die Füße aus dem Bett und zog sich seinen Morgenmantel über und die dicken Socken durften auch nicht fehlen, denn außerhalb des Bettes war es kalt.
Es war Mitte November und die Heizung des Hauses brauchte am Morgen eine Weile um in Schwung zu kommen. Draußen war es recht düster und es regnete, wie immer in dieser Gegend, und es sah ungemütlich aus.

Im Esszimmer neben der Küche bot sich ein gemütlicherer Anblick. Seine Mutter gab sich immer soviel Mühe, Wärme ins Haus zu bringen und sie hatte ein Händchen dafür.
Jedes Zimmer des Hauses hatte seine eigene Note und Farbgebung. Da war das Wohnzimmer in seinen warmen Gelb-, Rottönen – auch Sonnentempel genannt – dessen Kamin an kalten Wintertagen die Gemütlichkeit noch zusätzlich unterstrich. Das Esszimmer war der blaue Salon, denn alles in diesem Raum war weiß oder blau, selbst die Kerzen, die immer auf dem Tisch standen waren blau oder weiß. Das Schlafzimmer der Eltern wurde dominiert von einem großen, gemütlichen Bett auf dem tagsüber viele Kissen lagen, alles in rot und creme gehalten. Als Jonas noch kleiner war liebte er es seinen Mittagsschlaf in dem Wust von Kissen zu machen. Er tobte dann so lange zwischen den Kissen umher, bis er müde wurde und ihm die Augen zufielen. Selbst die beiden Zimmer der Jungs hatten ihre Themen. Jonas Zimmer glich einer Ritterburg, mit auf die Tapete gemalten Zinnen und einem großen Plüsch-Drachen, der sich um das Fußende seines Bettes wand. Zwei Holzschwerter waren über dem Schreibtisch an der Wand montiert, aber so, dass man sie auch zum Spielen abnehmen konnte. Olivers Zimmer war da schon etwas erwachsener und „cooler“, wenn man ihn fragen würde. Er hatte sich beim Renovieren vor einem Jahr für ein kleines Surfer-Paradies entschieden – nicht das Olivers schon einmal surfen war. Für die Bettenden hatte sein Papa zwei alte Surfbretter billig auf dem Flohmarkt erstanden und neu lackiert. Der Teppich hatte die Farbe eines Sandstrandes und die Wände strahlten, wie der blaue Himmel an einem herrlichen Sommertag. Das Rollo vor dem Fenster hielt man aufgrund der Farbe für die Sonne, die in seinem Zimmer somit Tag und Nacht schien.
Auf dem Tisch stand dampfender Tee, der sehr lecker roch, zudem stand in der Mitte des runden Tisches eine Kerze, die schon zur Hälfte abgebrannt war. Die Tafel war mit einigen Leckereien gefüllt, bei dessen Anblick Jonas das Wasser im Mund zusammenlief.
Schnell setzte er sich auf seinen Stuhl.
„Guten Morgen Jonas. Hast Du gut geschlafen? Wo ist den Oliver?, fragte seine Mutter.
„Oliver wo bleibst Du denn?“
Jonas wollte schon nach dem Toast greifen.
„Du wartest wohl auf Deinen Bruder!“, raunzte ihn sein Vater an, der morgens ohne seinen Kaffee und seine Zeitung meist ungenießbar war, und dem man vorher am besten aus dem Weg ging.
„Wenn er immer so lange im Bad braucht. Was kann ich dafür? Muss ich deswegen verhungern?“, entgegnete Jonas. Doch ein Blick in die Augen seines Vaters zeigte ihm, dass es unnötig war Protest zu erheben.

Nach dem ausgiebigen Frühstück ging Jonas in sein Zimmer.
Was sollte er heute mit der vielen freien Zeit nur anstellen? Zuerst freute er sich auf ein langes heißes Bad. Doch danach?
Jonas ging zu seinem Fenster, um nachzusehen, ob sich das Wetter vielleicht noch ändern könnte, doch draußen zeigte sich alles grau in grau. Enttäuscht ließ er sich auf seine Fensterbank plumpsen. Erschrocken stand er wieder auf und setzte sich erneut.
Was knarrte denn da so merkwürdig? Er drehte sich herum, nahm die Kissen weg und untersuchte die Holzplanken. Die Eine knarrte besonders und schien lose zu sein. Jonas rüttelte und zog an der Planke bis sie nachgab und erblickte ein schwarzes Loch. Die Bank schien einen Hohlraum unter sich zu haben.
Aufgeregt rannte er zu seinem Wandschrank, riss dessen Tür auf und suchte voller Eile seine Taschenlampe. Doch bei dem Chaos im Schrank konnte das dauern. Erst in der hintersten Ecke unter diversen Spielsachen und T-Shirts fand er sie.
Was mochte wohl unter diesen Brettern sein?
Mit der Lampe bewaffnet schaute er nochmals in das Loch. Durch den ganzen Staub zeichnete sich eine Holzkiste ab. Jonas versuchte noch mehr Holzbretter zu lösen, um an die Kiste heranzukommen. Doch selbst als das Loch groß genug war, war die schwere Kiste für einen elfjährigen Jungen seiner Statur, denn er war nicht gerade groß gewachsen für sein Alter, nicht leicht aus dem Versteck zu bergen.
Unter größten Anstrengungen gelang es ihm schließlich die Kiste
aus der Fensterbank zu hieven.